Scheinwelten
Basis meiner Scheinwelten-Entwürfe ist das 1963 erschienene, mehrfach preisgekrönte Kinderbuch Where the Wild Things Are von Maurice Sendak1 (1928-2012). In der Geschichte wird der „Rabauke“ Max ohne Abendessen auf sein Zimmer geschickt, da er so unbändig und wild ist. Plötzlich beginnt sich in seinem Zimmer alles zu „verändern“, und er segelt auf hoher See zu einer exotischen Insel voller großer Ungeheuer und Bestien. Max hat keine Angst. Er starrt so lange in die furchterregenden, böse leuchtenden Augen der Monster, bis er sie bezwingt und bald als „König“ gefeiert wird. Gemeinsam wird viel Hullabaloo veranstaltet, bis ihn das Heimweh packt und er nach Hause zurückkehrt. Eine dampfend warme Suppe wartet auf dem Tisch…
Der Autor Sendak, der als Kind oft krank war und in sehr ärmlichen Verhältnissen in New York aufwuchs, verlor viele seiner aus Polen stammenden jüdischen Familienmitglieder im Zweiten Weltkrieg im Holocaust. Er erzählte, dass er keine schönen Erinnerungen an die Kindheit hatte und sah seine Ungeheuer im Buch als Stellvertreter des Nicht-Konformen/Unzivilisierten. „Kinder sind von Natur aus unhöflich, wie wilde Tiere, und das ist gut“, sagte Sendak. Sein Buch „Where the Wild Things Are“ charakterisierte er nicht nur als Kinderbuch, da das Thema des Mutes, sich den eigenen Ängsten zu stellen und sie (hoffentlich) zu überwinden, ein Universelles ist.
Die Scheinwelt des kleinen Max wird im Buch ausführlich dargestellt. In der Fantasie geht der Junge alleine auf eine lange und gefährliche Seefahrt, erreicht eine unvorstellbar faszinierende exotische Insel mit unbekannten und bedrohlich großen Tieren, die er bezähmt und sich schließlich mit ihnen anfreundet. Die tollen Abenteuer sind eingebettet in der übergeordneten psychologischen realen Geschichte der (lebenswichtigen) Geborgenheit und Liebe. Hier schwingt vielleicht die eigene Geschichte des Autors mit.
Am Beginn des Buches mag der Leser denken, dass Max‘ Mutter ihn hart und herzlos bestraft, da er ohne Essen ins Bett geschickt wird. Aber: Ende gut, alles gut. Im Zimmer ist die unauffällige, schützende Hand der Mutter zu spüren. Der kleine Max wacht auf der Insel auf, er riecht die leckere Suppe und spürt Heimweh…