Inspiriert von Mingei
Freies Semesterprojekt, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart,
Wintersemester 2014/15
Stoffe zu entwerfen, die begründet und gezielt aus historisch-kulturellen Hintergründen schöpfen, hat meines Erachtens großes Potenzial. Durch das Zusammenführen unterschiedlicher Epochen und Regionen entstehen neue Blickwinkel auf Identität und Geschichte. Das Programm verschiedener Ausstellungsmacher 2014-2015 zeigte ein starkes Interesse an der japanischen Geschichte und Kultur. „Kirschblüte & Edelweiss: Der Import des Exotischen“ im Textilmuseum St. Gallen beispielsweise begleitete uns fast das ganze Jahr 2014. Im Museum der Völkerkunde der Staatlichen Kunstsammlung Dresden unter dem Namen „Logical Rain“ wurde ein Ausstellungskonzept gezeigt, das auf dem weltgrößten Schatz japanischer Katagami-Schablonen beruht. Bis Ende März 2015 konnte man im Museum der Kulturen Basel japanische buddhistische Mönchsgewänder, Kesas, bewundern und sogar mit den dabei traditionell verwendeten Stichen das Zusammennähen der Stofflagen üben.
Themen, die mit dem Anders-Sein zusammenhängen, scheinen für den Museumsbesucher besonders anregend zu sein. Die Einsicht, die wir bei solchen Ausstellungen bekommen, ist wertvoll. Die kulturellen Gemeinsamkeiten kommen zum Vorschein. Durch die Betrachtung der Unterschiede lernen wir uns selbst, unsere Kultur und Herkunft kennen. Wir befassen uns mit unserer Herangehensweise und unserer Art zu denken, wenn wir uns mit dem Nicht-zu-uns-Gehörenden beschäftigen. Interesse, Toleranz und Akzeptanz dem Fremden gegenüber werden gefördert.
Auch meine 40 _inspiriert von mingei-Designs haben ihren kulturellen Ursprung in Japan, sind aber in Europa entstanden und zusammengestellt worden. Das Abwägen der Eigenarten einer bestimmten geografischen Region als Grundlage für einen künstlerisch-schöpferischen Prozess ist auch ein Akt des internationalen Austausches, Idealerweise erweckt es Neugier, fördert Akzeptanz und schafft regionale Wertschöpfung in einer globalen Welt. Der Kreis schließt sich, indem alte textile Techniken, die heute vielleicht als „einfach“ bezeichnet werden, in einem kulturellen Kontext und einem anderen kulturellen Zusammenhang zu neuem Leben erweckt werden. Für mich ist die Arbeit an _inspiriert von mingei eine interessante Erfahrung des Fusionierens der Aspekte Nah und Fern sowie Alt und Neu, für das es aus meiner Sicht noch viele spannende Möglichkeiten gibt.