Querbeet

Querbeet
 

Diplom-Projekt der Fachgruppe Textildesign, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Wintersemester 2015/16

Neues von gestern

 

Die Reise durch die abwechslungsreiche Landschaft Vorarlbergs und des Bregenzerwaldes sowie durch die vielfältigen und spannenden textilen und kulturellen Fußabdrücke dieser Region haben mich reichlich inspiriert und beeindruckt. Das Traditionshaus Schwanen in meiner Diplomarbeit – aus einem völlig anderen Kulturkreis kommend – mit einem aufmerksamen Blick von außen zu betrachten hat mir viele neue Fenster der Erkenntnis geöffnet. Dem Gastgeber wird es wohl mit meiner Analyse und den daraus abgeleiteten textilen Ideen nicht anders gehen. Wir profitieren also im besten Fall beide von dieser interkulturellen und interdisziplinären Begegnung.

Zunächst ging es darum das gestern zu erkunden, d.h. die Stoffdrucke der Vorarlberger Textilfabrikanten im Textilmusterarchiv in Dornbirn zu durchleuchten und die handwerkliche Herstellung der Juppe, der Bregenzerwälder Frauentracht, zu erspüren und zu erforschen. Auf dieser Basis stellte ich mir die Frage nach der Relevanz des Gestern für das Heute und das Morgen. Welche Aspekte der textilen Tradition sollen berücksichtigt und aktiviert werden? Was versprechen wir uns von der Zukunft und wieviel ist darin von der Geschichte enthalten?

 

In einem zweiten Schritt folgte die Annäherung an den Schwanen. Beim „textilen Orten“ des Hotels galt es herauszufinden, wo es konkrete Anknüpfungspunkte für meine allgemeinen Recherchen geben könnte. Wofür steht das Traditionshaus, wo spürt man die Seele und welche Signale geben die Region und das Hotel von sich? Nur darauf basierend können Schlüsse für die Entwürfe gezogen werden. Ansonsten wären die textilen Vorschläge von außen forciert, wie „Fremdkörper“ auf das Hotel projiziert. Zwei Aspekte scheinen mir hier wesentlich: die seit Jahrhunderten am internationalen Austausch interessierte Haltung der Familie Moosbrugger (von den Käsehändlern bis zum heutigen Gastgeber) und die bedeutende Stellung der Frauen in diesem Haus, heute repräsentiert durch die hervorragende Wilde-Weiber-Küche. Mit textilen Augen gesehen, passt dazu sowohl die Inspiration durch die Muster der Textilindustrie, die für den internationalen Markt produziert, als auch die Beschäftigung mit der Juppe als regionalem Phänomen.

Es war mir ein Anliegen mich den textilen Ideen für den Schwanen rücksichtsvoll anzunähern. Lieber arbeite ich dezent und unauffällig als laut und mit Paukenschlag. Das unfassbar große Glück, die letzte lebende Trachtenfärberin Luise Fitz kennenlernen zu dürfen, hat mich reichlich belohnt. Ihr ist es zu verdanken, dass ich mich mit dem viel strapazierten Thema Juppe in meiner Arbeit unvoreingenommen auseinander setzen konnte. Da sie mir das geheime Juppen-Appretur-Rezept verriet, hatte ich die volle Freiheit mit diesem wichtigen textilen Erbe des Bregenzerwaldes individuell zu arbeiten. Durch meine Experimente habe ich neue Aspekte wahrgenommen und Erkenntnisse gewonnen, die in meine Entwürfe eingeflossen sind. Ich kann diese jetzt mit der _querbeet-Kollektion als textile Ideen weitegeben.

 

Mein größter Wunsch wäre es, dass meine Textilien von den Gastgebern und Gästen im Schwanen ganz selbstverständlich als „würdige Mitspieler“ im Hotelbetrieb erlebt werden. Sie würden im übertragenen Sinn für das „Neue von gestern“ stehen.

Ganz nach dem viel zitierten Gedicht des Bizauer Heimatdichters Gebhard Wölfle: „Meor ehrod das Ault, und grüßed das Nü, und blibot üs sealb und dr Hoamat trü“. („Wir ehren das Alte, begrüßen das Neue und bleiben uns selbst und der Heimat treu.“)