Soloausstellung Kunstverein Aalen

Soloausstellung Kunstverein Aalen

30.11.2024 Vernissage-Rede

Ines Mangold-Walter, 1. Vorsitzende Kunstverein Aalen

„Ich möchte Sie ganz herzlich zur Ausstellungseröffnung _nannatextiles hier im Kunstverein Aalen begrüßen, bei der wie der Name schon sagt die Textilkünstlerin Nanna Aspholm-Flik, kurz Nanna, ihre Arbeiten zeigt. Wir werden uns ja gleich noch in eienm Künstlergespräch über Deine Arbeiten und über Dich als Künstlerin unterhalten.

Begrüßen und gleich auch für die musikalische Einstimmung bedanken möchte ich mich bei Björn Franzen (Gitarre) und Felix B. (Akkordeon). Die beiden haben sich intensiv mit der Ausstellung auseinandergesetzt und uns eben den finnischen (Kult-)Tangostück „Satumaa“ (1955) präsentiert. Schön dass Ihr da seid.

Zur Ausstellung:
Wir haben dieses Jahr hier im Kunstverein mit der „Wildnis“-Schau begonnen. Die Mitgliederausstellung „Kunst von uns“ folgte und bis 17. November, kuratiert von der Leipziger Galeristin Lu Potemka, waren Positionen von 14 Künstlerinnen – allesamt gehören sie einem Leipziger beziehungsweise Berliner Künstlerinnennetzwerk an - in „Alles Liebe“ zu sehen. Am Ende des Jahres steht nun die Einzelausstellung von Nanna, di ein Finnland geboren wurde, seit vielen Jahren in Stuttgart lebt und uns in die Welt der Textilkunst entführt.

In einen ganz eigenen Bereich innerhalb der Bildenden Kunst. Schlägt man Im Borckhaus die Begrifflichkeit der „Textilkunst“ nach, dann steht dort: Textilkunst ist der Sammelbegriff für die Gestaltung mit textilem Material in allen Techniken der Stoffbildung und Stoffverzierung. Nanna geht darüber aber weit hinaus.

Wagt man einen Blick in die Geschichte der Stoffkunst, dann kann man bis in die Frühgeschichte zurückgehen, wobei damals der funktionale Aspekt des Textilen Im Vordergrund stand, denn gewebte Stoffe entstanden aus der Notwendigkeit heraus, Kleidung zum Schutz herzustellen.

Bereits in der Antike kamen aber weitere Funktionen hinzu, denn Textilien dienten nun auch als Statussymbol und religiöse Objekte.

Man könnte jetzt den geschichtlichen Verlauf der Textilkunst vom Mittelalter über die Industrialisierung bis zum heutigen Tag weiterzeichnen, würde aber immer an einem Punkt ankommen, nämlich dass das Textile immer auch ganz eng mit der menschlichen Kultur und Zivilisation verbunden war und ist. Und daher ist alles Textile auch ein wesentliches Stück Kulturerbe. Und genau hier kann man eine ganz zentrale Verbindung zum Werk und Wirken von Nanna herstellen. Denn wie eine Spurensucherin erforscht, sammelt und durchforstet Nanna unsere Welt und entdeckt textile Materialien einer alten, traditionellen Handwerkskunst.

Und dabei ist ihr ethnographischer Blick zu eigen, der sie sehr feinfühlig für ihre Umgebung leitet und sie in ganz unterschiedliche Zivilisationen vordringen lässt. Als Ethnologin des Textilen könnte man Nanna bezeichnen: Von Finnland – Ihr Geburtsland – über Japan, China, Korea, Bhutan und Indien, um nur eine Auswahl zu nennen: Mit wachem Auge und einer gehörigen Portion Offenheit begibt sich Nanna auf die Suche nach Vergessenem, dem sie neues Leben einhaucht. So ist auch eines ihrer vier Standbeine, wie sie selbst sagt – die Vermittlung textiler Techniken, denn genau hier ist, unser kulturelles Erbe verhaftet. Nicht um den Konsum geht es ihr – was ja naheliegend wäre, wenn wir ans Textildesign denken – sondern darum Vorhandenes sichtbar zu machen und neue Deutungsspielräume zu eröffnen.

Dabei bedient sie sich den diversen Techniken der Stoffbildung und Stoffmanipulation. Wir sehen aufwendige Stickereien, Gewebtem oder vielfältige Färbetechniken. So z.B. die uralte japanische Technik der Shibore-Färbung, die sie von eine rjapanischen Meisterin erlernt hat. Eine Auszeichnung für eine Europäerin.

Vor allem schafft Nanna aber auch ganz eigene künstlerische Werke, die als Objekt einerseits für sich stehen und ihre ästhetische Wirkung entfalten. Es geht Nanna um die Wertigkeit des Textilen an und für sich, um deren Charakterzüge. So sehen wir Garne in erdverbundenen Farben oder praller Farbigkeit, die mal zaghaft vernäht daherkommen, mal in geballter Gewaltigkeit, wie wir es vor allem im 4. Stock sehen.

Andererseits treten die Objekte der Ausstellung aber immer wieder in Dialog miteinander. Und so sehen wir Ausstellungsobjekte, die gruppiert sind, sogar übereinander gelagert und miteinander korrespondieren, ja kommunizieren. Diese Bezüge herzustellen, überlässt die Künstlerin den Betrachter. Nanna macht ein Angebot und Sie als Besucher sind dazu aufgefordert in den Dialog zu treten.

Und dieses kommunikative Element ist etwas, was Dich Nanna als Mensch, als Künstlerin und eben auch Deine Werke sowie Deine Arbeitsweise ausmacht. Das nennt sie auch neben der Vermittlung textiler Techniken als weiteres Standbein: Sie möchte ein Podium für textiles Netzwerken bereitstellen.

So hat sie für die Ausstellung ein umfangreiches Rahmenprogramm entwickelt, bei dem alle Interessierten dazu eingeladen sind, gemeinsam mit ihr Materialexperimente zu erproben. Es finden außerdem diverse Gespräche im Rahmen einer Ausstellungsführung, die bereits am kommenden Sonntag ab 15 Uhr stattfindet. Und ein weiterer besonderer Programmpunkt mit Projektstart am 8.12. ist, dass Nanna in Zusammenarbeit mit dem aus Kalifornien stammenden Parfümeur-Studenten Alexander Chavez mit Textilkunst und Düften experimentiert. Dabei hoffen die beiden auf Input der Teilnehmenden, also auch hier ist alles auf den Dialog ausgerichtet.

In einen solchen treten wir gleich im Rahmen des Künstlergesprächs ein. Zuvor hören wir noch ein Musikstück.
Fragen:

Liebe Nanna, das Textile scheint bei Dir alle Lebensbereiche zu durchdringen. Vielleicht kannst Du uns eingangs erzählen, wie Du zur Textilkunst gekommen bist?

Was treibt Dich bei Deinem Schaffen an? Du hast mal von vier Standbeinen gesprochen? Was ist Dein Künstlerischer Ansatz?

Welche Rolle spielt für Dich das handwerkliche, also das händische Tun?

Im Dachgeschoss haben wir eine einprägsame Arbeit von Dir, die aus 179 Einzelobjekten besteht. Was ist der Hintergrund?

Ich möchte mich anschließend noch bei allen bedanken, zunächst natürlich bei Dir Nanna und auch bei unseren Musikern. Ohne die Helfer der letzten Tage wäre die Eröffnung heute nicht möglich: Zuallererst Dieter Rühmann, der hier jeden Tag im Einsatz war und gehängt und Wände gestrichen hat. Und meinen Vorstandskollegen Roland Hamm und Walter Heichel, auch Jessica Rühmann, die die graphische Gestaltung der Werbematerialien übernimmt. Vielen Dank für Eure Unterstützung.

Jetzt bleibt mir nur Ihnen einen schönen Abend zu wünschen. Nanna steht Ihnen gerne für Fragen und Gespräche zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Kommen und vielleicht bis Sonntag zum Dialog-Gespräch im Rahmen der Ausstellungsführung.“

Kunst, Technikvermittlung, Vorträge und Kooperationen

Knapp 70 Werke sind auf zwei Etagen des Alten Rathauses, auf einer Fläche von ca. 400 m2, präsentiert. Es sind z.B. Einzelwebarbeiten, Färbestudien, gestickter Tagebucheintrag, Brennspunktschulprojektskulptur, Installationen und Videos bei der _nannatextiles Ausstellung zu sehen.

Als Teil des Begleitprogramms, für angemeldete Teilnehmer_innen, bietet Nanna Workshops zum Thema "Japan-inspiriertes Sticken" an. Davon losgelöst, können Besucher während der Öffnungszeiten des Kunstvereins, Zeit in der Textil-Lounge verbringen und sich textil entspannen: Garn, Nadeln und ein bereits mit Stickereispuren begonnenes altes Tischtuch laden zum "Communal Stitching" (Gemeinschaftliches Sticken) ein.

Seit 2021 forscht Nanna das Erbe der in Deutschland und Ausland bedeuteneden, in Vergessenheit geratenen, Textilkünstlerin Lotte Hofmann (1907-1981). 2023 wurde sie in den Beirat des Lotte-Hofmann-Stiftung für Textilkunst in Deutschland berufen. LoHo gründete ihre Atelierwerkstatt 1947 in Oberrot-Hausen. 1981 vertstarb sie in Schwäbisch Hall. Ob es noch Zeitgeugen und Zeitzeuginnen oder LoHo-Lebensspuren in Ostalb gibt, interessiert Nanna. In den Schaubildervorträgen am 29.12. und 04.01, je 17 Uhr, berichtet Nanna über ihre Recherche. Ein herzliches Willkommen zum Kunstverein im Alten Rathaus Aalen an alle!

Prozessprojekt "Textil + Duft"

Der Auftakt des Kooperationsprojekts zwischen Nanna und dem Parfümeur-Student Alexander Chavez fand am 8.12.24 in beiden Etagen der Ausstellung statt. Alexander stellte Fragen zu Herstellungsmethode und Hintergrund mancher Exponate und erläuterte Grundlagen seiner olfaktorischen Kunst. Im regen Dialog beteiligten sich zahlreiche Besucher mit spannenden Kommentaren und Reaktionen. Mit den gesammelten Begriffen und Informationen reiste Alexander am Abend nach München zurück, um dort in seinem Labor mit dem Kreieren unterschiedlicher Düfte zu beginnen. Bei der Finissage am 02.02.25 werden "Ergebnisse" bekanntgegeben und der Prozess der Ideenfindung näher bescherieben, auch im Impulsvortrag zusammengefasst. A warm welcome to everyone!

lotte hofmann am 29.12. und am 04.01

Nannas Forschungsthema "Lotte Hofmann/LoHo", das sie seit ihrem Projektstipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg 2021 weiter verfolgt, wird im Ausstellungsprogramm im Kunstverein Aalen Ende 2024 und Anfang 2025 behandelt. Nanna berichtet über ihre Rechercheergebnisse und spürt neue Informationen und Tipps nach. Immer bleiben das Leben und die spannende Textilwerke der in Karlsruhe 1907 geborene Textilkünstlerin, Pädagogin und Arts & Crafts Befürworterin im Zentrum des Gesprächs.

Die Mitgründerin des Bund der Kunsthandwerker Stuttgart 1947 (im Haus der Wirtschaft, wo vor dem Krieg das Museum für Angewandte Kunst sich befand) musste aus Königsberg, Preussen, 1945 nach Württemberg flüchten, wo ihr Vater herstammt. 1946 gründete Lotte Hofmann ihr Atelier in Hausen-Oberrot, wo sie bis zum Tod 1981 ihren Wohnsitz hatte. Obwohl Lotte Hofmann, wie ihre Schwester Käthe, nie verheirateten, konnte Nanna Verwandte in u.a. Rems-Murr-Kreis, Remstal, Ostalb und andere Regionen Württembergs ausfindig machen.

Dank Christine Schicks umfangreichen LoHo-Zeitungsberichten in der Backnanger Zeitung und Murrhardter Zeitung im März 2024, nahmen zahlreiche Privatpersonen mit Nanna Kontakt auf. Auch erschienen LoHo-Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und Kunstinteressierte zu Nannas Lotte Hofmann Vortrag an der VHS-Murrhardt. Die Besitzerin eines historischen Hotels in der Stadt, wo LoHo ihre Juli-Geburtstage gerne feierte, war eine der Zuhörerinnen. Einladungen zur Sichtung LoHo-Textilwerke in Privatbesitz folgten. Erfreulicherweise spürt Nanna, dass die Würdigung und das Andenken der bedeutenden, lange in Vergessenheit geratenen, Nachkriegskünstlerin LoHo stetigwächst.

Am deutschlandweiten "Tag des offenen Denkmals" (08.09.24) der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, engagierte sich Nanna in der Liederhalle (ein Gesamtkunstwerk-Denkmal) Stuttgart. In ihren Führungen im Beethovensaal lernten Besucher den in der Wand (neben der Bühne) dauerhaft verborgenen Lotte- Hofmann-Bühnenvorhang vom Entstehungsjahr 1956 ausnahmsweise kennen.